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ECC83 / 12AX7
 
   
 
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Inhalt:
Allgemeines
Historie und besondere Eigenschaften
Kompatibilität zu 12AX7 bzw. ECC83
Röhren mit voller Kompatibilität zur 12AX7 bzw. ECC83
Röhren mit teilweiser Kompatibilität zur 12AX7 bzw. ECC83
12AX7 und ECC83: Sind NOS-Röhren wirklich besser?
 Verwandte Themen:
Telefunken ECC803S



Bild 1: 12AX7 bzw. ECC83 diverser Hersteller

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Allgemeines

Die europäische ECC83 bzw. die amerikanische 12AX7 ist die meistverbreitetste Niederfrequenzvorverstärkerröhre überhaupt. Wer sich auch nur ein wenig mit Röhren beschäftigt, kennt diese Röhre, denn sie steckt in nahezu jedem Audioverstärker in Röhrentechnik, egal ob HiFi oder Instrumentenverstärker. Die ECC83 bzw. 12AX7 ist auch heute noch eine sehr gefragte Röhre, und so ist es nicht verwunderlich, daß das Preisniveau von unbenutzten Röhren aus alter Produktion (NOS = New Old Stock) erschreckende Höhen erklommen hat. Nachfolgend können Sie etwas über die Historie dieses Röhrentyps, ihre besonderen Eigenschaften und die vielen mehr oder weniger kompatiblen Typen erfahren sowie auch eine Betrachtung finden, ob NOS-Röhren wirklich besser sind als neue Röhren.


Historie und besondere Eigenschaften

Entstanden ist die 12AX7 dadurch, daß die amerikanische Firma RCA zwei aus der Verbundröhre 6AV6 (1 Triode + 2 Dioden) stammende Triodensysteme, die ihrerseits auf einem aus den 30er Jahren stammenden Design basierten, mechanisch zu einer Einheit verband und in einen Glaskolben mit dem damals relativ neuen Novalsockel steckte. Käuflich zu erwerben war sie ab 1947. Das Triodensystem der 6AV6 war konsequent als Niederfrequenztriode mit hoher Verstärkung konzipiert und unter den Trioden konkurrenzlos, was die erzielbare Verstärkung angeht. Dadurch daß die 12AX7 deren hohe Verstärkung erbte und gleich mit 2 Triodensystemen in einer Röhre daherkam, war sie eine kostengünstige Alternative zu anderen Lösungen. Denn das Ziel war damals fast immer, mit so wenigen Röhren wie möglich die erforderliche Gesamtverstärkung zu erzielen, weil Röhren vergleichsweise teuer waren. Pentoden besitzen zwar generell eine höhere Verstärkung als Trioden, aber davon konnte man bei Limitierung auf 9 Pins keine zwei voneinander unabhängigen Systeme in einer Röhre unterbringen. Zwei hintereinandergeschaltete Triodenstufen der 12AX7 besaßen zusammen eine höhere Verstärkung als eine beliebige einzelne Pentode, und so ist es wenig verwunderlich, daß sie sich recht schnell großer Beliebtheit unter den Schaltungsentwicklern erfreute.

Aufgrund der Kostenvorteile, die die 12AX7 bot, gab es auch bald ein europäisches Pendant namens ECC83, die sowohl die gleichen elektrischen Daten als auch die gleiche Pinbelegung besaß und damit 100% austauschbar war. Schon bald hatte nahezu jeder Röhrenhersteller eine ECC83 bzw. 12AX7 im Programm, entweder selbst produziert oder von einem anderen Hersteller zugekauft und unter eigenem Namen vertrieben. Dabei waren alle diese 12AX7- bzw- ECC83-Versionen jeweils keine 100%igen Kopien der RCA-Röhre, sondern unterschieden sich von dieser und auch untereinander durch den inneren mechanischen Aufbau der Röhren, was lizenzrechtliche und auch fertigungstechnische Gründe hatte. Trotz aller Unterschiede im inneren Aufbau waren sie untereinander und zur RCA 12AX7 elektrisch absolut kompatibel und konnten daher problemlos untereinander ausgetauscht werden. Schnell wurde die 12AX7 bzw. ECC83 im Audiobereich nicht nur in den USA sondern auch in Europa und anderen Teilen der Welt zur Standardröhre für Vorverstärkerstufen in Niederfrequenzverstärkern. Dies resultierte in großen Stückzahlen, und große Stückzahlen resultierten in einer kostengünstigen Großserienfertigung, was natürlich umso mehr für diese Röhre sprach und weiter ihre starke Stellung als Standardröhre zementierte.

Mit Aufkommen der Transistoren verloren Elektronenröhren fast schlagartig an Bedeutung - zuerst im Nieder- und dann mit einigen Jahren Verspätung auch im Hochfrequenzbereich. Radios, Verstärker und Fernsehgeräte mit Elektronenröhren waren quasi über Nacht höchst unmodern geworden, wodurch deren Absatz drastisch einbrach, was natürlich auch auf die ECC83 respektive 12AX7 zutraf. Da zusätzlich immer weniger Röhren als Ersatz für bestehende Verstärker benötigt wurden, schlicht weil sie durch Transistorgeräte ersetzt wurden, und die Hersteller ihre Produktion zusätzlich nicht schnell genug an die fast schlagartig sinkenden Nachfrage anpassen konnten, sanken die Preise mangels Nachfrage rapide. Dadurch wurde die Fertigung sehr schnell unrentabel, was viele Hersteller dazu bewegte, die Herstellung aufzugeben, sofern sie nicht sogar in der Insolvenz endeten. In den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden Elektronenröhren aller Typen als Restposten im großen Stil verramscht. Es waren zu diesem Zeitpunkt weltweit riesige Lagerbestände vorhanden, was die Preise in Anbetracht des schwindenden Interesses an Elektronenröhren noch lange Zeit niedrig hielt, aber mit der Aufgabe der Fertigung auf breiter Front war der Grundstein für steigende Preise von NOS-Röhren gelegt.


Kompatibilität zu 12AX7 bzw. ECC83

Wie gesagt war die 12AX7 respektive ECC83 eine sehr populäre Röhre, und so ist es nicht verwunderlich, daß im Laufe der Zeit zahlreiche Röhrentypen das Licht der Welt erblickten, die entweder vollständig kompatibel mit ihr waren, in ihren elektrischen Kenndaten nur leicht abwichen und/oder eine andere Pinbelegung besaßen. Für Anwendungen, in denen eine erhöhte Zuverlässigkeit oder Schwingungsresistenz (z.B. militärische Geräte) oder definiert engen Toleranzen notwendig waren (z.B. Meßgeräte), wurden darüberhinaus spezielle Varianten angeboten. Nachfolgend finden Sie zwei Übersichten über voll und über nahezu kompatible Typen, jeweils mit einigen Anmerkungen.

Röhren mit voller Kompatibilität zur 12AX7 bzw. ECC83

12AX7 und ECC83 sind zwei Typenbezeichnungen für im Grunde gleiche Röhren, d.h. mit gleicher Pinbelegung und gleichen elektrischen Daten. Aufgrund deren Popularität ist es nicht verwunderlich, daß in einigen Ländern bzw. bei einigen Herstellern andere Typenbezeichnungen verwendet wurden, obwohl die jeweiligen Röhren 100% kompatibel zur 12AX7 respektive ECC83 waren. Hier eine -sicherlich nicht wirklich vollständige- Übersicht über diese Röhren:

TypAnmerkung
12AX7AVerringerte Mikrofonie und brummunempfindlicherer Heizer
12AX7WAMilitärversion
6057Andere Typenbezeichnung der Tfk ECC803S
7025Rauscharme Version
CV4921:1 kompatibel
CV4004Industrieversion mit längerer Lebensdauer und definierten Toleranzen
E83CCMilitär- bzw. Industrieversion mit längerer Lebensdauer und definierten Toleranzen.
Nur Tesla E83CC: Mit Telefunken ECC803S identische Spanngitterröhre
ECC803STelefunken: Spanngitterröhre, siehe Telefunken ECC803S
Tesla bzw. JJ ECC803S: Normale 12AX7 bzw. ECC83 mit langen Anodenblechen
ECC83SJJ: Spanngitterröhre, baugleich mit Telefunken ECC803S


Röhren mit teilweiser Kompatibilität zur 12AX7 bzw. ECC83

Zusätzlich zu den 100% kompatiblen Röhren gabe es auch etliche Röhren, die sich in Details von der 12AX7 und ECC83 unterschieden, wodurch man sie nicht in jedem Fall als Ersatz verwenden konnte. Dies konnte die elektrischen Parameter, die Pinbelegung oder auch beides gleichzeitig betreffen. Hier eine -ebenfalls nicht vollständige- Übersicht über diese Röhren mit kurzen Anmerkungen:

TypAnmerkung
5751Pinkompatible Militär- bzw. Industrieversion mit längerer Lebensdauer. Niedrigerer Verstärkungsfaktor μ (70 statt 100)
6N2PRuss. Röhre mit anders beschaltetem Heizer (ohne Mittelabgriff, ausschließlich 6,3 V), aber mit Abschirmung zwischen beiden Systemen.
6N2P EIIndustrieversion der 6N2P mit längerer Lebensdauer.
E283CCSpanngitterröhre, identisch mit Tfk ECC803S, aber mit anderer Pinbelegung
ECC808Rauscharm mit anderer Pinbelegung und Abschirmung zwischen beiden Systemen; niedrigere zulässige Anodenverlustleistung

Eines werden Sie vergeblich suchen, nämlich eine preiswerte ECC83-kompatible Fernsehröhre, also sozusagen eine PCC83, die sich von der ECC83 durch einen anderen Heizer unterscheidet. Diese gab es nie, denn der Heizstrom der 12AX7 bzw. ECC83 betrug bei parallel geschalteten Heizern der beiden Röhrensystem ohnehin 300 mA und entsprach damit bereits dem für Serienheizungen erforderlichen Wert. Sie ist also sozusagen E- und P-Röhre in Einem.


12AX7 und ECC83: Sind NOS-Röhren wirklich besser?

Man hört viele Leute sagen, daß früher alles besser war. Aber es ist eine bekannte Tatsache, daß die Erinnerung vorzugsweise Gutes bewahrt und Schlechtes ausblendet. Hinzu kommt, daß viele Leute "teuer" gern mit "besser" assoziieren, und NOS-Röhren sind unbestreitbar teurer als Röhren aus aktueller Produktion, z.T. sogar um Größenordnungen. Aber was ist nun wirklich dran an der Behauptung?

Ob Tfk ECC83 es wirklich hörbare Klangunterschiede gibt oder ob sich die Leute einfach nur etwas einreden, kann man einzig und alleine im doppelten Blindversuch herausfinden. In diversen Foren werden zwar im Brustton der Überzeugung gern Klangunterschiede zwischen 12AX7 bzw. ECC83 diverser Hersteller diskutiert, aber alleine schon die Beschreibung der angeblichen Klangunterschiede läßt technisch auch nur einigermaßen Versierte den Kopf schütteln: Wie kann es sein, daß sich angeblich Röhre X durch straffe Bässe und Röhre Y durch prägnante Mitten auszeichnet, während Röhre Z seidige Höhen produziert? Die Antwort lautet, daß dies einzig und alleine der Phantasie dieser Leute entspringt, denn im Audiofrequenzbereich kann man keinerlei Unterschied im Frequenzgang zwischen 12AX7- bzw. ECC83-kompatiblen Röhren feststellen. Dies ist leicht erklärbar, denn sofern die obere Grenzfrequenz nicht erreicht ist, hängt der Frequenzgang nur von der äußeren Beschaltung der Röhre ab, ist also unabhängig von der Röhre selbst. Speziell in der von manchen Leuten gern als Argument genutzen Impulswiedergabe gibt es keinerlei Unterschied, denn eine Röhre ist kein Lautsprecher, bei dem die Membran wegen zu geringer Bedämpfung nachschwingen kann, sondern ein elektronisches Bauelement, bei dem solche Effekte im Audiofrequenzbereich überhaupt nicht auftreten können. Es gibt jedenfalls keinen einzigen physikalischen Effekt, der eine Ungleichbehandlung verschiedener Frequenzen unterhalb der oberen Grenzfrequenz erklären könnte. Man könnte natürlich behaupten, daß die Technik nicht alles messen könne, was das geschulte menschliche Ohr hören könne. Dem ist aber in der Realität ganz und garnicht so. Es bestätigte sich vielmehr immer wieder, daß man mit hoher Präzision Unterschiede messen kann, die kein Mensch klanglich zu unterscheiden in der Lage ist, und das war auch damals schon der Fall. Zwar wurde ausnahmsweise die bei etlichen 70er-Jahre-Verstärkern durch ein desaströses Schaltungsdesign verursachten TIM-Verzerrungen zuerst als Klangunterschied zwischen verschiedenen Verstärkern festgestellt, aber man konnte auch hier sehr schnell die Quelle des Übels meßtechnisch nachweisen und dann auch mit hoher Präzision quantifizieren. Objektiv wirklich vorhandene Klangunterschiede (doppelter Blindversuch!) konnte man durch geeignete Meßverfahren bislang immer noch bestätigen.

Auf der anderen Seite muß man sich einmal ansehen, wie die selbsternannten Experten mit den goldenen Ohren ihre Hörversuche durchführen. "Wissenschaftlich nicht relevant" ist dabei eine höfliche Umschreibung dafür, daß man einen Röhrenverstärker probehört, ausschaltet, die Röhre(n) wechselt, wieder einschaltet und warmlaufen läßt, noch einmal probehört und dann eine Bewertung abgibt - und dies alles eigenhändig, d.h. unter Kenntnis, welche Röhren zu welcher Zeit im Verstärker stecken. Mir ist jedenfalls kein einziger, nach wissenschaftlichen Maßstäben durchgeführter doppelter Blindversuch bekannt, der Klangunterschiede zwischen besagten Röhren nachweist. Wenn der Probant weiß, welche Röhre gerade im Verstärker steckt, kann man überspitzt gesagt auch auf den Hörversuch ganz verzichten und gleich fragen, welche Röhre der Probant sympathischer findet. Außerdem wäre objektiv gesehen ohnehin kein Mensch in der Lage, nach der für einen Röhrenwechsel benötigten Zeit (das sind incl. Anheizzeit bis zum Erreichen einen stabilen Zustands etliche Minuten) geringe Klangunterschiede festzustellen; sie sind ja immerhin so gering, daß Normalsterbliche sie nicht hören können. Vielmehr braucht man dafür zwei absolut identische Verstärker, zwischen denen man hin- und herschalten kann. Aber einen solchen Aufwand treiben die Herren Spezialisten mit den goldenen Ohren entweder garnicht oder zumindest nicht methodisch korrekt. Sie sind fast immer Proband, Versuchsdurchführer und Auswerter in Einem, und betrachten eine solche Vorgehensweise sogar auch noch als objektiv.

Gibt es technisch überhaupt etwas, was wirklich NOS-Röhren von Röhren aus heutiger Produktion unterscheidet? Was bei sachlicher Betrachtung ins Auge fällt, ist der inflationsbereinigte Röhrenpreis, der heutzutage ganz erheblich niedriger ist als zur Blütezeit der Elektronenröhren. Der niedrige Preis kommt nicht von ungefähr, denn für langwieriges Einbrennen und strenge Selektion ist heute einfach kein Platz mehr, weil nahezu niemand bereit wäre, den entsprechenden Mehrpreis zu bezahlen. Aber sind die Röhren deswegen schlechter? Ja, weil sie sowohl in den ersten Betriebsstunden ihre elektrischen Eigenschaften nennenswert ändern können, und nein, weil sie nach dem Einbrennen ein Niveau erreichen, das sie nicht wirklich von NOS-Röhren unterscheidet. Eins darf man nicht vergessen: Auch damals hatten Röhren Toleranzen, und die waren mitunter ziemlich groß; in den Datenblättern waren sie mit Ausnahme der Industrie- bzw. Militärtypen nicht einmal spezifiziert. Zusätzlich verändern Röhren langsam über die Zeit ihre Eigenschaften, und das war auch damals schon so, schlicht weil es physikalisch bedingt ist. Bei Audioschaltungen spielt diese Drift jedoch keine nennenswerte Rolle, weil sie nur einen relativ geringen Einfluß auf die Verstärkung hat, was mit dem Klang wiederum absolut nichts zu tun hat.

Dazu, ob Röhren heutzutage wirklich schlampiger hergestellt werden als in der guten alten Zeit, wie es in gewissen Foren gern behauptet wird, kann ich leider nichts sagen, da ich weder damals noch heute die Prozesse einer Röhrenfertigung überwacht habe und damit auch keinen Vergleich ziehen kann - die Teilnehmer besagter Foren aber ganz sicher auch nicht. Leicht schief eingeschmolzene Röhrenpins oder ein optisch nicht ansprechend sondern krumm zugeschmolzener Pumpstutzen (der "Glaspickel" auf der Oberseite der meisten Röhren) sind aus technischer Sicht jedenfalls absolut kein Qualitätsmerkmal, zumal ich auch schon NOS-Röhren mit schief eingeschmolzenen Pins in der Hand hatte. Wenn Sie mir eine Kiste NOS-Röhren und eine Kiste Röhren aus neuer Produktion vor die Tür stellen, führe ich gern vergleichende Messungen samt einer statistischen Aufbereitung durch, um dies zu beweisen bzw. zu widerlegen.

Was gibt's sonst noch an Möglichkeiten? Das Vakuum könnte heute schlechter sein als damals und auch das verwendete Material könnte nicht identisch mit den Originalmaterialien sein. Ersteres ist garantiert nicht der Fall, da die Vakuumtechnik nicht auf dem Stand der Röhrenära stehengeblieben ist sondern sich weiterentwickelt hat. Weiterhin werden "die letzten paar Atome/Moleküle" vom Gettermaterial absorbiert. Die Evakuierung der Röhren ist daher eher besser als schlechter geworden. Im Gegensatz dazu ist nicht auszuschließen, daß die NOS-Röhren speziell im Bereich der Pins doch nicht 100% luftdicht sind und während der langen Lagerzeit (bei einer RCA-Röhre aus der ersten Produktion inzwischen mehr als 60 Jahre!) das Vakuum nachgelassen hat. Egal ob bei alten oder neuen Röhren, kann man ein übermäßiges Vorhandensein von freien Atomen/Molekülen an den Kennlinien erkennen, die dann ein mehr oder weniger stark nichtlineares Verhalten zeigen.

Daß JJ ECC83S bei aktuell hergestellten Röhren nicht mehr die originalen Materialien im Sinne von NOS-Materialien verwendet werden, ist eine gesicherte Erkenntnis. Die in der 12AX7/ECC83 verwendeten Materialien sind jedoch alles andere als ein Geheimnis und auch keineswegs exotisch. Sie unterschieden sich nicht von den Materialien anderer Röhren dieser Zeit, und zudem wurden diese Röhren seinerzeit weltweit von etlichen Firmen mit noch mehr Zulieferern hergestellt, weshalb dieses Wissen weit gestreut ist. Insofern ist es für die heutigen Hersteller, die ja meistens entweder die Röhrenfertigung nie eingestellt hatten (z.B. Sovtek) oder die Fertigungsanlagen bekannter Röhrenhersteller incl. Know-How aufkauften (z.B. JJ von Tesla, EI von Philips), absolut kein Problem, das richtige Material zu verwenden oder sogar noch Detailverbesserungen vorzunehmen. Dies trifft natürlich auch auf die Katode zu, bezüglich deren Aufbau und Material in manchen Foren haarsträubende Theorien als die absolute Wahrheit verkauft werden. Leider ist immer wieder die "Früher war alles besser"-Mentalität anzutreffen, und es wird in epischer Breite dargestellt, daß das Wissen, wie man Röhren fertigt, bedauerlicherweise verloren gegangen sei. Seinerzeit wurden beispielsweise Tesla-Röhren als Ostblockschrott verunglimpft. Kaum stellte Tesla aber die Produktion ein und verkaufte die Fertigungsanlagen an JJ, gingen die Preise für Tesla-Röhren in die Höhe, bevor die Nachfrage und die Preise in den 89er/90er Jahren allgemein in den Keller fielen. EI war auch so ein Kandidat: Den "nachgemachten Philips-Röhren" wurde indiskutable Qualität und ein mieser Klang bescheinigt. Kaum schloß EI die Tore, schossen wundersamerweise die Preise für diese ach so schrottigen Röhren in die Höhe. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, daß Röhren von Sovtek (mit den Markennamen Sovtek, Svetlana und Tung Sol), JJ und Shuguang heutzutage ebenfalls keine Wertschätzung erfahren. Nebenbei bemerkt verkauften sich Telefunkenröhren seinerzeit auch nicht gerade von selbst.

Meine persönlichen Erfahrungen mit meinen eigenen NOS- und Nicht-NOS-Röhren (oben in Bild 1 sind einige davon abgebildet) in meinen Gitarrenverstärkern ergaben jedenfalls keinerlei klangliche Unterschiede. In einer standardisierten Prüfumgebung (Röhrentester) waren allenfalls geringe Unterschiede in der Verstärkung nachweisbar aber innerhalb des Audiobereichs keinerlei Unterschiede im Frequenzgang und erst recht keinerlei Unterschiede im Impulsverhalten, so wie es aus physikalischer Sicht auch zu erwarten war. Ich spreche generell ungern konkrete Empfehlungen aus, um möglichst niemanden in seiner konkreten Kaufentscheidung zu beeinflussen. Aufgrund der nicht seltenen Verrisse der JJ ECC83S in einigen Foren, bei denen man oft schon zwischen den Zeilen den Grund für die negative Einschätzung im niedrigen Preis erkennen kann, möchte ich hier ausnahmsweise Stellung für ein konkretes Produkt beziehen: Meine bevorzugte ECC83-kompatible Röhre ist nämlich genau diese JJ ECC83S, schlicht weil sie aufgrund ihrer mit der Telefunken ECC803S identischen Spanngitterkonstruktion am wenigsten mikrophonisch, klanglich weder von der Tesla E83CC noch anderen ECC83-kompatiblen Röhren zu unterscheiden und als besondere Überraschung sogar eine der preiswertesten ECC83-kompatiblen Röhren auf dem deutschen Markt ist.


Kauf

NOS-Röhren sind inzwischen sehr rar geworden, und dementsprechend bewegen sich auch die Preise im nahezu astronomischen Bereich. NOS-Röhren gesuchter Hersteller (also besonders Telefunken und Valvo) sind bei bekannten Röhrenhandelsunternehmen fast nicht mehr zu bekommen. In  Online-Auktionen werden solche Röhren zwar recht zahlreich angeboten, aber hier werden fast ausschließlich Röhren als NOS angeboten, auf die die Definition NOS nicht zu zutrifft. Unschuldig als "vom Opa, sieht ungebraucht aus" über "NOS mit Röhrenfoto" (anstelle der Schachtel) angeboten bis zu "auf Röhrentester XY mit folgenden Werten getestet" reicht die Spanne gebrauchter Röhren, die immer wieder als NOS angeboten werden. Die Schachteln von Telefunkenröhren waren zumindest ab den 60er Jahren immer in Plastikfolie eingepackt, sodaß eine unbeschädigte Plastikfolie ein Hinweis auf tatsächliche NOS-Qualität gibt. Bei allen Herstellern ließ sich die Röhrenschachtel zudem nur schwer absolut beschädigungsfrei öffnen, sodaß auch dies ein einigermaßen guter Hinweis auf eine NOS-Röhre sein kann. Leichte Einrisse an der Lasche sind ein deutliches Indiz, daß die Schachtel schon einmal geöffnet wurde. Allerdings kann man das erst nach dem Kauf erkennen. Wer Prüfwerte für eine Röhre angibt, hat die Röhre bereits in Betrieb genommen, d.h. sie ist nicht mehr neu und damit handelt es sich definitiv um keine NOS-Röhre. Und wer einen Röhrentester besitzt und bislang ungeöffnete Packungen öffnet, nur um die Röhren zu vermessen, wäre ziemlich dumm, denn nur nachweislich ungeöffnete Packungen garantieren einen NOS-Zustand. Mein Verdacht geht eher dahin, daß gebrauchte Röhren "gut" vermessen oder sogar per Regeneration in den guten Bereich gebracht und dann als NOS angeboten werden. Als letzten Anhaltspunkt kann man sich am meistens wasserlöslichen Aufdruck orientieren, den Verkäufer sicher verfluchen, weil er sich leicht abgreift: Bei einer wirklich neuen Röhre sieht dieser auch neu aus, selbst wenn die Röhre 60 Jahre alt ist. Wenn er abgegriffen aussieht, hatte zumindest schon jemand die Röhre mehrfach in der Hand, was der Definition von NOS widerspricht. Und zwischen "in die Hand genommen" und "schon länger benutzt" liegt nur ein einziger Steckzyklus.

Die Lebensdauer von Röhren ist hoch genug, daß auch gebrauchte Röhren durchaus noch einen nennenswerten Wert besitzen. Solche gebrauchten Röhren jedoch als NOS-Röhren und damit zum erheblich höheren NOS-Preis zu verkaufen, fällt objekiv gesehen jedoch in die Kategorie Betrug, auch wenn in  Online-Auktionen sich offenbar die Dummen täglich die Klinke in die Hand geben und horrende Beträge für gebrauchte Röhren bieten, die zwar als NOS angeboten werden, aber ganz offensichtlich gebraucht sind. Es ist daher sinnvoll, diesem Irrsinn zu entfliehen und sich langsam mit Röhren aus aktueller Produktion anzufreunden, denn echte NOS-Röhren, die auch wirklich die Bezeichnung NOS verdienen, werden über kurz oder lang ohnehin nicht mehr verfügbar sein. Unter Röhrenenthusiasten gilt zwar die eherne Regel "früher war alles besser", aber mal ehrlich, wollen Sie wirklich Kaiser Wilhelm oder gar den Adolf zurückhaben?
  

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Letztes Update dieser Seite: 01.10.2023 (Untergeordnete Seiten können aktueller sein)